Ich war in der vergangenen Woche mit meinem Kollegen Torben Volkmann auf der IBM Connect 2016 in Orlando/Florida, der weltweite Leitveranstaltung der IBM rund um das Themengebiet der „Zusammenarbeit“. Während dies vor einigen Jahren noch in erster Linie auf die Zusammenarbeit in Form von Mails, Terminen und Kontakten fokussiert war, ist der Fokus in den letzten Jahren immer stärker auf die sozialen Aspekte und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten der Wertschöpfung bzw. der Schaffung von Mehrwerten (Stichwort: „Social Business“) verlagert worden – also etwa: Wie können bisher informelle Informationsflüsse oder individuelle Fähigkeiten von Mitarbeitern identifiziert und nutzenbringend eingesetzt werden.

#Social für mehr Innovationskraft

Beispiele hierfür sind die sich häufiger zu findenden Unternehmensportale, in denen Mitarbeiter in der Art von Xing, Linkedin, Facebook und Twitter ihre Profilseiten mit Interessen und Fähigkeiten pflegen, Blogeinträge darüber verfassen, woran sie gerade arbeiten, neue Ideen präsentieren oder sich im Team organisieren – weltweit! Sprich: Der große Vorteil einer solchen digitalen Umsetzung im Vergleich zum bisherigen „man trifft und kennt sich über die Kaffeeküche“ liegt darin, dass ein digitaler Ansatz eine Orts- und Zeit(zonen)unabhängigkeit mit sich bringt und somit die Fähigkeiten, die Kreativität und das Wissen von weltweit verteilten Kollegen und Experten greifbar macht.

Hierdurch können nicht nur vorhandene Produkte, Prozesse und Fähigkeiten verbessert werden, sondern vor allem Neues entwickelt werden. Vielleicht hat ein Kollege am anderen Ende der Welt durch seine persönlichen Interessen und Erfahrungen die Lösung für eine Problemstellung eines Ingenieurs in Deutschland? Oder vielleicht hat ein Mitarbeiter in Australien eine großartige Innovationsidee, aber nicht die Zeit und Ressourcen, diese Idee umzusetzen – während jemand aus Frankreich dies vielleicht hat.

Social-Business-Ansätze können also dazu dienen, die Mitarbeiter in Unternehmen „näher zusammenwachsen zu lassen“ und hierdurch innovativer zu werden – ein Faktor, der insbesondere vor dem Hintergrund der bereits laufenden digitalen Revolution (z.B. in Form von „Industrie 4.0“ oder dem „Internet der Dinge“) von größter Bedeutung ist. Neue, digitale Geschäftsmodelle und Strategien brauchen innovative Mitarbeiter – ganz gleich, wo auf der Welt diese zu finden sind.

Somit kann man bis zu dieser Stelle zusammenfassen, dass das ganze Thema „Social“ ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen ist.

Der Fluch der Inhalte

Wo viel Licht ist, ist aber meistens auch viel Schatten: Jeder, der hin und wieder in seinen Facebook-Stream blickt, wird sich schon einmal gedacht haben, dass dort auch relativ viele unsinnige oder vielleicht auch einfach gerade nur uninteressante Inhalte zu finden sind – genau dieses Phänomen kann sich natürlich auch schnell in einem unternehmensinternen Social-Portal breitmachen.

Je stärker eine solche Plattform genutzt wird und je Menschen Inhalte darauf veröffentlichen, umso mehr Inhalte werden auch existieren, die für viele Nutzer subjektiv zunächst uninteressant oder irrelevant sind. Doch selbst wenn die Informationen nicht irrelevant sein sollten – vielleicht macht einfach deren schiere Masse sie nicht mehr nutzbar.

Stellen wir uns einfach ein Portal vor, in dem Mitarbeiter Innovations- oder Verbesserungsvorschläge veröffentlichen können. Finden sich hierin 20 Vorschläge, so sind diese problemlos von dem zuständigen Gremium zu sichten und zu bewerten. Finden sich hierin jedoch 1.000 oder mehr Vorschläge, wird eine manuelle Durchsicht und Bewertung nur schwerlich bzw. nur mit sehr hohem zeitlichen Aufwand und entsprechender Laufzeit zu realisieren sein – wobei gerade die lange Laufzeit beim Einreicher zu Frustrationen führen kann, der sich wahrscheinlich irgendwann die „passiert jetzt noch was“-Frage stellen wird.

Dies stellt den gesamten Social-Ansatz auf eine harte Probe: werden zu wenig Inhalte erzeugt, gibt es nur einen geringen Nutzwert. Werden wiederum zu vielen Inhalte erzeugt, gibt es ebenfalls nur einen geringen Nutzwert. Was nun?

#Cognitive für mehr Effizienz

Aus großer Flughöhe betrachtet, wäre die Lösung für dieses Dilemma eine clevere Filterfunktion, die aus einer großen Masse von erstellten Inhalten diejenigen für einen Nutzer herausfiltert, die in seinem aktuellen Kontext für ihn am interessantesten/relevantesten/am besten geeignet erscheinen. In einer idealen Welt würde diese Filterfunktion natürlich von einem „intelligenten“ Computersystem übernommen, dass über entsprechende kognitive Fähigkeiten (Wahrnehmung, Lernen, Erinnerung, Problemlösung, Abstraktion) verfügen würde, um sich und seine Ergebnisse ständig zu verbessern.

Was im ersten Moment sehr nach „Skynet“ aus den „Terminator“-Filmen klingt, ist in Form von IBMs Watson bereits seit vielen Jahren Realität (Ich habe vor fast genau vier Jahren schon darüber geschrieben: IBM Watson)… Ein System, das in der Lage ist, komplexe Szenarien durch große Datenmengen zu analysieren und Rückschlüsse zu ziehen, was gerade relevant ist und was nicht (Stichwort: „Jeopardy“).

Und tatsächlich: ein mögliches Einsatzgebiet von Watson ist die Analyse und das Filtern von „unüberschaubaren“ Datenmengen, um als Ergebnis die relevante(ste)n Inhalte auszugeben. Anwendungsfälle hierfür finden sich in der Medizin, der Optimierung von Produktionsabläufen oder eben auch in den eingangs aufgeführten Social-Collaboration-Plattformen. So wäre Watson beispielsweise in der Lage aus unseren vorhin beispielhaft genannten 1.000 Verbesserungsvorschlägen die 50 besten herauszufiltern, beispielweise basierend auf Kriterien wie der Ausbildung und den Fähigkeiten des Einreichers, seiner aktuellen Position in Bezug auf das Themengebiet des Vorschlages, eventueller früherer Verbesserungsvorschläge oder vielleicht sogar der Anzahl der Rechtschreibfehler im eingereichten Formular. Sind das nicht faszinierende Gedanken?

IBM Watson in IBM Verse

Zugegebener Maßen sind diese Beispiele für vielen noch sehr abstrakt und „weit weg“ – deshalb möchte ich ein weiteres, sehr einfaches aber auch sehr plakatives Beispiel nennen. Eine Demo, die mich in der vergangenen Woche sehr beeindruckt hat, war eine Integration von IBM Watson in IBM Verse (Mailplattform, „Nachfolger“ von IBM Domino/Notes)…

Das Szenario war folgendes: Ein Benutzer nutzt die Verse-iPhone-App, um auf seinen Posteingang zuzugreifen. Wie auch bei vielen von uns sind hierin viele Mails mit ihren Kopfdaten wie Absender, Betreff, usw. zu sehen. Zu jeder Mail waren werden immer zwei Zeilen des Mailinhaltes eingeblendet – im Regelfalls sowas wie „Sehr geehrter Herr Hase, mir ist gerade aufgefallen, dass… [Zeile zu Ende]“… was ist das Problem? Wenn die Betreffzeile nicht sehr aussagekräftig ist, hat man keine Ahnung, worum es in der Mail geht und ob etwas bei zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erledigen ist.

Genau an dieser Stelle kam in der Demo dann wieder IBM Watson ins Spiel.

Dieser durchsuchte im Hintergrund automatisch jede Mail, um die wesentliche Textzeile zu identifizieren und diese dann in den Vorschauzeilen anzuzeigen, also z.B. „Schicke mir bitte die Folien der Präsentation bis morgen 12:00 Uhr“ oder „Ich brauche die Finanzdaten von Dir bis Mittwoch“.

Ist das nicht super? Es verbessert nicht nur die Übersicht von einem mobilen Endgerät aus, sondern könnte in einem nächsten Schritt auch für intelligente Regelwerke verwendet werden, um beispielsweise automatisch korrekt terminierte Aufgaben zu erstellen. Großartig!

Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr Szenarien fallen mir ein, in denen die Kombination aus #Social und #Cognitive unsere Arbeit nicht nur mit IT-Geräten, sondern auch mit unseren Mitmenschen deutlich bereichern könnte. Es bleibt sehr, sehr spannend…