Ein Thema, das in den letzten Wochen die Medien zu dominieren scheint ist „Mobility“ – nicht zuletzt dadurch, dass sämtliche Analysten es zusammen mit „Cloud“, „Big Data“ und „Social“ zu einem der vier Top-Themen für 2013 gekürt hat. Grund genug, sich ein paar Gedanken über die Rahmenbedingungen zu machen…
Die Ausgangslage
Eine wesentliche Frage, die häufig als erste gestellt wird, ist, welche Mobility- (oder Smartphone-) Plattformen denn überhaupt zu berücksichtigen sind. Aktuellen Zahlen von Gartner zufolge verteilt sich der Anteil der Neuverkäufe in 2013 bisher so, dass Android mit 79% der Spitzenreiter ist. Auf einem sicheren zweiten Platz thront iOS mit 14,2%. Windows (3,3%) und BlackBerry (2,7%) liegen auf den Plätzen 3 und 4.
Somit scheint auf den ersten Blick klar, dass Android DIE Plattform ist, auf die man die meiste Energie setzen sollte.
Hmm… nicht nur, weil ich persönlich sehr an meinem iPhone hänge und bekenne, bisher jedes Modell mein Eigen genannt zu haben, decken sich diese Zahlen aber überhaupt nicht mit meinen Erfahrungen. Ich hätte aus dem Bauch heraus (basierend auf dem prüfenden Blick auf Veranstaltungen, an Flughäfen, in Gesprächsterminen mit Kunden, etc. welches Telefone denn da zu sehen sind) gesagt, dass iOS eher einen Anteil von 90% hat. Die restlichen 10% teilen sich in meiner Wahrnehmung BlackBerry und Windows – Android spielt im meiner wahrgenommenen Welt quasi keine Rolle.
Immer wenn ich diese Theorie mit Kollegen diskutiere, bekomme ich von Einzelnen die Rückmeldung, dass dies einzig und allein darauf basiert, dass ich nur sehe, was ich sehen möchte – das glaube ich aber nicht 😉
Also machte ich mich auf die Suche nach Anhaltspunkten für meine Theorie: Hierzu entwickelte ich zunächst die Hypothese, dass die Zahlen von Gartner natürlich richtig sind, aber natürlich auf ALLE verkauften Geräte beziehen – also auf private wie geschäftlich verkaufte.
Ebenso sind die Anteile häufig global –sprich: Alle Regionen der Welt werden in diesen Veröffentlichungen konsolidiert. Was insbesondere vor dem Hintergrund interessant ist, dass die Regionen der Welt unterschiedliche Wirtschaftskraft (oder –Fokus) haben und z.B. in vielen Regionen/Ländern iOS-Geräte überhaupt nicht (oder nur bei bestimmten Telefon-Anbietern) verkauft werden.
Es ist somit vollkommen einleuchtend, dass in den Bereichen, in denen – und ich formuliere jetzt sehr vorsichtig – eher auf den Preis der Einzelinvestition geguckt wird – nämlich in privaten oder weniger finanzstarken – der Anteil der stark gesponserten und somit deutlich billigeren Android-Geräten viel größer ist also beispielsweise von iOS.
Kleine Nebenbemerkung: Interessant wäre hierzu aus meiner Sicht auch ein Unterteilung nach Smartphone-/Tablet-Modell: Die Crux ist aus meiner Sicht immer, dass z.B. Android immer als Ganzes gesehen wird. Mich würde interessieren, wie die Anteile aussehen würden, wenn jeweils nur die Top-Modelle (z.B. Samsung Galaxy S4 vs. iPhone 5 vs. Lumia 1080) verglichen würden. Hier wäre man zumindest grob im gleichen Preissegment.
Insofern könnte man vor diesem Hintergrund schon argumentieren, warum Gartners Zahlen und meine Wahrnehmung sich unterscheiden. Aber ginge es noch weiter?
Ja – und zwar wenn man die beiden aufgeführten Aspekte (also 1. privat/geschäftlich und 2. Finanzkraft) weiterdenkt und auf das Nutzerverhalten überträgt. Wird ein geschäftlicher und/oder finanzstarker Benutzer sein Gerät nicht intensiver nutzen als die Angehörigen der anderen Gruppe?
Und ob: Laut Auswertungen der FORTUNE Analysten liegt iOS unter den Mobilgeräten bei einem Traffic Volumen von über 60%! (Volumen! Nicht Anzahl von Geräten!)
Das bedeutet, dass die absolute Mehrheit der Aktivitäten im Internet (durch Apps, Mail, etc.) von iOS-Geräten aus durchgeführt wird. iOS Benutzer nutzen ihre Smartphones/Tablet auch als solche – Android Benutzer besitzen sie nur – naja, oder telefonieren damit, aber das ist ja Old-School 😉
Soviel zum Hintergrund… das wird gleich nochmal wichtig…
Was das Unternehmen möchte
Betrachtet man die ganze Mobility-Diskussion aus Sicht eines Unternehmens, so zählen hier aus meiner Erfahrung bei Kunden in erste Linie folgende Aspekte:
- Funktionalität: Bereitstellung von Funktionen für Mitarbeiter (z.B. Mail, Kalender, Apps, etc.)
- Sicherheit: Schutz vor Datenverlust
- Kostenreduktion: In der Anschaffung (CAPEX) und im Betrieb (OPEX)
- Compliance: Einhaltung von rechtlichen Aspekten (in Deutschland z.B. Steuern, Geldwerter Vorteil, etc.)
Diese Punkte sind bewusst nicht nummeriert, da die Prioritäten dieser Aspekte je nach Unternehmen und Branche sehr unterschiedliche sein können.
Nimmt man aber die Funktionalität als gegeben bzw. Voraussetzung hin, so erkennt man in den anderen drei Aspekten eine Art Muster, die den dahinterstehenden Bedarf offenlegen. Man kann nur dann Sicherheit und Compliance gewährleisten und (Betriebs-)Kosten reduzieren, wenn man sich schlaue Gedanken über die Verwaltung der Geräte macht – genau hier kommt der Ansatzpunkt von EMM (Enterprise Mobility Management) ins Spiel.
Es gibt unterschiedliche Definitionen für EMM – aber ich möchte an dieser Stelle meine eigene geben:
EMM ist die Summe der notwendigen Verfahren und Werkzeuge für eine effektive, effiziente, sichere und rechtmäßige Integration von mobilen Endgeräten in den Unternehmenskontext.
Im Bereich der Werkzeuge kommen natürlich Themen wie MDM (Mobile Device Management) und MAM (Mobile Application Management) zum Tragen – auf die ich an dieser Stelle aber nicht weiter eingehen möchte, da schon genug Buzz darum gemacht wird.
Viel wichtiger ist aus meiner Sicht der Aspekt der Verfahren: Die Unternehmen müssen sich Gedanken um Standards, Prozesse und Regelungen machen – was viel kritischer ist als die Auswahl einem MDM- oder MAM-Werkzeugs.
Ein paar Beispiele:
- Welches kaufmännische Modell möchte ich nutzen? (z.B. nur Unternehmensgeräte, BYOD, COPE, etc.)
- Möchte ich alle Plattformen unterstützen?
- Gibt es einen Katalog von freigegebenen Geräten?
- Wie lange sollen die Geräte maximal betrieben werden?
- Wie stelle ich Aktualität des OS sicher? (z.B. Sicherheitspatches, Updates)
- …
Viele dieser Aspekte greifen direkt ineinander bzw. greifen wieder Überlegungen des ersten Abschnitts mit der Marktverteilung auf… z.B. die Frage, welche Plattformen man unterstützen möchte: Sieht man sich an, dass im Traffic-Kontext iOS den größten Marktanteil hat, so liegt die Vermutung nahe, dass man diese Plattform nicht „unter den Tisch“ fallen lassen sollte.
Anderes Beispiel: Unter Sicherheitsaspekten (Patches, Aktualität) sollte man sich sehr genau vor Augen halten, dass es nicht DAS Android gibt – wie bei Linux gibt es zig unterschiedliche Derivate und Abwandlungen – in der Regel nach Hersteller des Smartphones, oftmals aber auch nach Modell des Smartphones. Da Android Geräte (insbesondere die günstigeren) oftmals nur eine Marktdauer von wenigen Monaten haben, kann es gut sein, dass man nach 6 oder 12 Monaten keine Updates mehr für dieses spezielle Gerät bekommt – dies ist im Unternehmenskontext ein riesiger Nachteil im Vergleich zu iOS, Windows oder BlackBerry!
Ein kleiner Hintergrund hierzu: Immer wenn ich diesen Punkt mit Kunden bespreche, bekomme ich (wie auch bei Gesprächen über Microsoft-Lizenzierung 😉 ) oftmals zu hören „das kann doch gar nicht sein“, „das müssen die doch ändern“ oder „das können die sich doch gar nicht erlauben“.
Doch, dass können die! Und warum? Ganz einfach: Weil keiner der großen Anbieter für Android-Telefone sein Geld mit Android verdient! Es sind Hardware-Anbieter und die verdienen ihr Geld damit Hardware (also das Telefon selbst) zu verkaufen! Aus deren Sicht ist das „Geschäft“ gegessen, wenn das Telefon über den Tresen gegangen ist…
Das ist bei Apple und (perspektivisch) Microsoft vollkommen anders: In diesen Fällen haben wir es mit Anbietern zu tun, die zwar Hardware verkaufen, sich aber in den letzten Jahren immer mehr zu „Service-Providern“ entwickelt haben. Apple verdient massig Geld mit iTunes und dem AppStore, Microsoft mit XBox und dem Windows-Store (naja, perspektivisch). Beide haben ein gewaltiges Interesse daran, dass alle verkauften Geräte lange aktuell, sicher und funktional sind, um eben möglichst lange die hoch-lukrativen, bereitgestellten Dienste (Medien, Spiele, Apps, etc. ) nutzen zu können.
Das ist ein vollkommen anderes Modell als beispielsweise bei Samsung oder HTC… interessant würde es werden, wenn Google mit eigenen Geräten in dieses Spiel einsteigen würde…
Insofern sollten immer auch die „weit entfernten“ Geschäftsmodelle der Hersteller in diese Überlegungen einbezogen werden – auch zum Beispiel in Hinblick auf den großen Trend „Cloud“, da sich dieser in Wirklichkeit nicht von „Mobility“ trennen lässt – und umgekehrt.
Man merkt: EMM ist ein hochkomplexes Thema!
Was der Benutzer möchte
…nur nicht aus Sicht des Benutzers: Der möchte einfach, „dass es geht“ und zwar genauso, wie er es sich vorstellt bzw. das Marketing der Hersteller es ihm suggeriert.
Insofern sieht man hier schon einen potentiell großen Konflikt: Das Unternehmen braucht Standards, Sicherheit und einen Plan – der Benutzer möchte die Möglichkeit, sich jederzeit über alles hinwegsetzen zu können.
In einer heilen Welt darf es für den Benutzer keinen Unterschied machen, ob er mit seinem Privatgerät in einem Unternehmenskontext arbeitet oder mit einem Unternehmensgerät mal eben seinen Facebook-Status aktualisiert. Aus seiner Sicht muss dies alles möglich sein und scheint auch nicht so schwierig – da er sich zu Recht nicht mit den Details auseinander setzt – das ist nun mal die Aufgabe der IT.
Fazit
Ich persönlich bin ein großer Fanboy vieler dieser Konzepte, halte sie aber ehrlicher Weise Stand heute noch nicht für lückenlos umsetzbar. Zum einen sind viele Technologien im Detail noch nicht so „rund“ wie sie auf den ersten Blick scheinen, zum anderen sind – insbesondere in Deutschland – viele rechtliche und regulative Hürden zu überwinden, die die Unternehmen nach wie vor in Richtung der Old-School-Unternehmensgeräte drängen.
Es ist aber trotzdem interessant, sich ein paar Gedanken dazu zu machen… 😉